
Eine weitere Reise in die Kulturgeschichte der Alchemie und tiefe Einblicke in die komplexe Beziehung zwischen Künstlern und Alchemisten.
In der Dunkelheit zeichnen sich die Konturen eines Alchemisten ab. Stolz präsentiert der dunkelhaarige Mann dem Betrachter einen Alembik – einen alchemistischen Destillierhelm. Wie ein fertiges Kunstwerk hält er das Gefäß in Händen, als wolle er auf das erfolgreich vollbrachte Opus magnum aufmerksam machen (Abb. 1).
Jedoch handelt es sich hier nicht um das Porträt eines Alchemisten, sondern um das eines Künstlers. Es ist Luca Giordano selbst, der sich hier als Alchemist inszeniert.[1] Künstlerporträts gibt es viele – zumeist zeigt sich der Meister mit Pinsel und Palette vor seiner Leinwand oder aber auch mit seiner fertigen Skulptur. Ein klassisches Beispiel ist das Selbstporträt Lorenz Strauchs (Abb. 2).
Abb. 2: Lorenz Strauch, Selbstbildnis im Alter von 60 Jahren, 1614, 43,5 x 52,5 cm, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Foto: Georg Janßen
Solche Porträts sind Ausdruck des neuen Künstlerselbstverständnisses in der Frühen Neuzeit. Strauch zeigt sich selbstbewusst mit seinem Handwerkszeug und dem Material, aus dem auch das zu betrachtende Gemälde geschaffen wurde.[2] Giordano verzichtet auf die klassischen Attribute des Künstlerporträts und präsentiert sich bewusst nicht als Maler, sondern als Alchemist. Wie ist diese Selbstdarstellung zu verstehen? War Giordano etwa selbst als Alchemist tätig? Welche Verbindung besteht zwischen Kunst und Alchemie? Ist die Malerei gar als Alchemie zu verstehen, sodass Farbpalette und Alembik in den Händen des Künstlers austauschbar werden? Werfen wir zunächst einen Blick auf das Verhältnis von Kunst und Alchemie.
Die Verschwisterung der beiden Disziplinen blickt heute auf eine lange Geschichte zurück. Im alten Ägypten war die Alchemie Bestandteil der Kunsttechnologie.[3] Die ältesten bekannten Zeugnisse dieser engen Verbindung sind die sogenannten Leiden und Stockholm Papyri – auf Papyrus niedergeschriebene Rezepturen aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. mit Anleitungen zur Imitation wertvoller Materialien wie Metalle und Edelsteine, aber auch zur Textilfärbung.[4] Nicht von ungefähr kommt also die Bezeichnung der Alchemie als «Große Kunst» oder als «Königliche Kunst.»[5] Auch später blieben die Praktiken von Künstlern und Alchemisten einander in vielerlei Hinsicht ähnlich. Es verband sie weiterhin die Arbeit mit Materie, die von beiden in gewisser Weise «transmutiert» und «veredelt» wurde. Beide beanspruchten das demiurgische Moment der Schöpfung für sich, wodurch sie sich in einen Wettstreit mit Gott und der Natur begaben – eine Debatte, die bis in die Antike zurückzuverfolgen ist.[6]
Die Gemeinsamkeiten zwischen Künstlern und Alchemisten boten jedoch auch die Grundlage für einen gegenseitigen Wettstreit, denn beide wollten die größtmögliche Annäherung an die Natur für sich selbst beanspruchen.
Die Künstler warfen den Alchemisten Hybris vor und verlachten das Ziel der Goldherstellung. Die meisten bildlichen Darstellungen der Alchemie zeigen daher den Scharlatan in seiner Sudelküche und sollten als ein moralisches Negativbeispiel fungieren.[7]
Abb. 3: Adriaen van Ostade, Ein Alchemist, 1661, Öl auf Eichenholz, 34 x 45,2 cm, National Gallery, London
Ein Beispiel ist das Gemälde Adriaen van Ostades (Abb. 3), das einen ärmlichen Alchemisten in einer düsteren Werkstatt vor einer Feuerstelle beim Laborieren zeigt. Der vergebliche Versuch, Gold herzustellen, hat die Familie, die stillende Mutter ist im Hintergrund der Kammer auszumachen, in Elend und Armut gestürzt. Die von Ostade verwendete Bildform ist nur ein Beispiel von vielen und war vor allem in der niederländischen Druckgrafik und Genremalerei ein beliebtes Sujet.[8]
Die Alchemisten stellten die kunsthandwerkliche Praxis im Gegenzug als «schlechte Alchemie»[9] dar. In ihren Augen vermochten es die Künstler lediglich, Stoffe oberflächlich zu verändern und andere Materialien zu imitieren. Es war der Vorwurf der bewussten Täuschung, dem sich Künstler ausgesetzt sahen.
Abb. 4: Giovanni Stradano, Die Alchemisten, 1570-75, Studiolo des Francesco I. de Medici, Palazzo Vecchio, Florenz.
Ein Grund für diese in der Frühen Neuzeit aufkommende Rivalität war das Buhlen um die Gunst derselben Mäzene.[10] Die Fürstenhöfe des 16. und 17. Jahrhunderts waren die Hochburgen von Kunst- und Alchemiepraxis – allen voran das Florenz der Medici (Abb. 4)[11] und der Prager Hof unter Rudolf II.[12] Dort versammelten sich Künstler und Alchemisten gleichermaßen und standen in den Werkstätten in engem räumlichen Kontakt.
Von vielen Künstlern weiß man, u.a. dank der Künstlerviten des Malers und Kunsthistoriographen Giorgio Vasari, dass sie sich für die Alchemie interessierten und sie sogar selbst praktizierten. Ein bekanntes Beispiel und heute Teil der Legende um den Künstler ist Jan Eycks Erfindung der Ölmalerei.[13] Obwohl längst erwiesen ist, dass diese Maltechnik nicht auf den niederländischen Meister zurückgeht, hat sich der Mythos vom Künstler-Alchemisten hartnäckig gehalten.[14] Neben van Eyck sollen auch Cosimo Rosselli[15] und Parmigianino[16] der Alchemie verfallen gewesen sein und so ihren finanziellen Ruin besiegelt haben.
Prominentester Alchemiekritiker aus dem Lager der Künstler ist Leonardo da Vinci. In seinen heute erhaltenen und mehrere tausend Seiten umfassenden Manuskripten lassen sich diverse Äußerungen über die Alchemie finden. Immer wieder wirft er den Alchemisten Habgier und wissenschaftliche Ignoranz vor und kritisiert die zum Scheitern verurteilte Suche nach dem Stein der Weisen.[17] Nichtsdestotrotz lobt er die nützlichen Errungenschaften, die die Alchemie hervorgebracht hat und von denen auch er als Künstler profitieren konnte. So wendete Leonardo auch selbst alchemistische Praktiken an. Es sind einige Zeichnungen von Destillierapparaten erhalten, die auf eine große Experimentierfreudigkeit des Universalgelehrten schließen lassen (Abb. 5).
Abb. 5: Leonardo da Vinci, Destillierapparat, Cod. Atlanticus, fol. 912r.
Leonardo habe, so Ladislao Reti, das Destillationsverfahren maßgeblich geprägt und spätere Entwicklungen antizipiert. Zudem gehe die Entdeckung des Acetons auf ihn zurück.[18]
Leonardos Verhältnis zur Alchemie muss also differenziert betrachtet werden. Während er spekulative und am eigenen Profit orientierte Praktiken verachtete, befürwortete er erkenntnisorientierte und empirische Vorgehensweisen durchaus. Alchemie ist also nicht gleich Alchemie, sondern muss in «richtige» und «falsche» Formen der großen Kunst unterschieden werden.[19]
Eine Mittlerfunktion zwischen Kunst und Alchemie nimmt Paracelsus ein. Mit seinem «Liber de imaginibus» hat der Schweizer Arzt und Alchemist «den (…) ersten umfassenden Bildertraktat in deutscher Sprache»[20] verfasst und damit bereits lange vor der Etablierung der akademischen Kunstwissenschaften einen Beitrag zur Bildwissenschaft geleistet. In einer anderen Schrift vergleicht er das Handwerk mit der Alchemie – jede Art der menschlichen Kunst im weitesten Sinn sei eine Form der Alchemie:
«Ein alchmist ist der becke in dem er so brot bacht, der rebman in dem er so den wein macht, der weber in dem das er tuch macht. also was aus der natur wachst dem menschen zu nuz, derselbige der es dahin bringt, dahin es verordnet wird von der natur. der ist ein alchemist.»[21] Vielleicht ist das Paracelsus-Porträt (Abb. 6) von Peter Paul Rubens, eine Kopie nach Quentin Metsys, als Hommage an die Lehren des Schweizers zu verstehen.[22]
Abb. 6: Peter Paul Rubens, 1615-1618, Öl auf Holz, 77,5 x 54,5 cm, Königliches Museum der Schönen Künste, Brüssel
Rubens selbst sah seine Malerei ebenfalls als Alchemie, die der der Goldmacher jedoch überlegen war. So berichtet Joachim von Sandrart in seiner «Teutschen Academie der Bau- Bild- und Mahlerey-Künste» von einer Begegnung zwischen dem Maler und einem betrügerischen Alchemisten, der ihm zu viel Reichtum verhelfen wollte. Rubens habe daraufhin geantwortet:
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«Ihr komt allein um 20. Jahr zu spat/ dann um selbige Zeit schon hab ich durch den Pensel und die Farben den rechten wahrhaften Lapidem Philosophicum gefunden.»[23]
Der Malprozess wird somit zum alchemistischen Opus, das fertige Werk zum lapis philosophorum und der Künstler selbst zum Alchemisten, der den Scharlatan gekonnt in seine Schranken weist.
Kommen wir zum Selbstporträt von Luca Giordano zurück. Vor der beschriebenen und zugegebenermaßen nicht immer unproblematischen Beziehung zwischen Kunst und Alchemie stellt das Porträt ein eindeutiges Bekenntnis zur Alchemie dar. Wie Rubens es bereits rhetorisch getan hat, tauscht Giordano in seinem Gemälde schließlich auch visuell Pinsel und Palette gegen den Alembik ein. Interessant ist die Farbgebung seines Mantels, der an der Schulter aus drei verschiedenfarbigen Stoffen zusammengenäht zu sein scheint. So wie die Kleidung des Paracelsus im Porträt von Rubens zeigt der Mantel Giordanos die alchemistischen Farben Schwarz, Weiß und Rot, möglicherweise eine Anspielung auf die drei Stufen des alchemistischen Opus, nigredo, albedo und rubedo. Dass die Kunst in Analogie zur Alchemie betrachtet werden muss, wird somit nicht nur durch die Identifikation des Künstlers mit der Figur des Alchemisten illustriert, sondern auch durch die Verwendung der Farben, die der Künstler-Alchemist mit seinem Pinsel gekonnt transformiert und so sein Opus magnum erschafft.
Abb. 1: https://pinacotecabrera.org/en/collezione-online/opere/ritratto-di-un-chimico-autoritratto-di-luca-giordano-in-veste-di-chimico/
Abb. 2: http://objektkatalog.gnm.de/objekt/Gm429
Abb. 3: https://www.nationalgallery.org.uk/paintings/adriaen-van-ostade-an-alchemist
Abb. 4: Muccini, Ugo: Le Sale dei Priori in Palazzo Vecchio, Florenz 1992, S. 105.
Abb. 5: http://www.leonardodigitale.com/
Abb. 6: https://www.fine-arts-museum.be/nl/de-collectie/peter-paul-rubens-portret-van-paracelsus
Corinna Gannon, M.A., studierte Kunstgeschichte an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und verfasste ihre Dissertation zu Kunst, Magie und Alchemie am Hof Kaiser Rudolfs II. in Prag. Aktuell ist sie wissenschaftliche Volontärin am Städel Museum in Frankfurt am Main.
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